Über de Maizieres „Leitkultur“-Artikel ist viel geredet worden aber eine Sache fällt mir auf, die wurde noch nicht gesagt (glaub ich). TdM schreibt:
„Unser Land hatte viele Zäsuren zu bewältigen. Einige davon waren mit Grundentscheidungen verbunden. Eine der wichtigsten lautet: Wir sind Teil des Westens. Kulturell, geistig und politisch. Die Nato schützt unsere Freiheit. Sie verbindet uns mit den USA, unserem wichtigsten außereuropäischen Freund und Partner.“
Jetzt muss man verstehen: Wenn man Innenminister ist dann spielt die Nato im Alltag wahrscheinlich eine gewisse Rolle. Allen anderen ist sie aber per se erstmal egal. Warum also soll man sich überhaupt dazu oder dagegen bekennen? Ist doch komisch: Meine Haltung zur Nato oder EU oder anderen supranationalen Machtkonstrukten spielt genau überhaupt keine Rolle. Ich kann so sehr dagegen sein wie ich will, ich muss deren Faktizität akzeptieren. Umgekehrt existieren solche Konstruktionen nicht deshalb weil irgendwelche Moralist_innen sie für „gut“ halten.
Derzeit kann man immer noch kleine Gedanken lesen (Stand: 03.05.2017). Was ich, irgendwelche syrischen, marokkanischen oder afghanischen Refugees oder sonstwer sich zur Nato denken kann TdM also unmöglich wissen. Man kann was dazu sagen. Wenn ein Alteingesessener sagt: „Nato find ich gut“ kann man das glauben. Warum sollte er da lügen? Er kann nicht abgeschoben werden und es gibt kein Gesetz dagegen, die Nato scheisse zu finden. Eine Karriere bei einer großen Zeitung wird er nicht mehr machen können aber das wars auch schon an Konsequenzen.
Was wenn ein „Fremder“ sagt: NATO find ich gut? Vielleicht sagt er das nur weil er sonst Ärger kriegt mit den Schergen des Integrationsapparates? Um sich Ärger zu ersparen? Vielleicht hat er TdMs Artikel gelesen und hält den Ball lieber flach! Wer weiß!
Das ist der Rassismus in der ganzen Integrations/Leitkultur-Geschichte: Es werden je nach Herkunft unterschiedliche Leistungen (und Gedanken) eingefordert. Und da man die innerste Gesinnung ja sowieso nie überprüfen kann, bleibt „der Fremde“ immer verdächtig. Isst er Schweineschnitzel? Vielleicht nur um uns hinters Licht zu führen, Vielleicht schmeckt’s ihm gar nicht!
Und falls man doch mal Gedanken lesen kann – auch kein Problem:
„Grundgesetz regelt zuerst einmal d Verhältnis d Staates zu Bürgern. Zu Zusammenhalt, Identität u Gemeinschaft gehört aber mehr. #leitkultur“ (Jens Spahn, cdu)
https://twitter.com/jensspahn/status/859677207245017088
Weil man „Identität, Gemeinschaft, Zusammenhalt“ eh nicht formalisieren will und kann, kann man jederzeit die die man als „fremd“ labelt unter Verdacht stellen, nicht der Vorstelllungen von Leitkultur zu entsprechen die man sich gerade denkt.
Dabei tritt die grandiose Verwechslung von Ursache und Wirkung bei solchen Aussagen geradezu grotesk deutlich zutage: Man hat Behälter wie „Eigen“ und „Fremd“ und versucht geradezu Zwanghaft sie mit Inhalt zu füllen. Die ganzen Parodien darüber, was Leute mit deutschen Pässen weniger glanzvolles fabrizieren, legen Zeugnis davon ab.
Handgeben und Name sagen, das soll das „eigene“ sein? Da gab‘s schon originellere Abgrenzungsfans. Will sagen: nicht der Inhalt macht die Unterscheidung eigen/fremd. Sondern die Unterscheidung eigen/fremd sucht sich Inhalte als Rechtfertigung. Und tut sich überraschend schwer dabei – ohne dass das ihre Popularität mindern würde.